Gerda Weilers "Der enteignete Mythos" -
Eine feministische Revision der Archetypenlehre
CG. Jungs und Erich Neumanns - in Neuauflage
(von Carola Meier-Seethaler)
Als Gerda Weiler ihre kritische Auseinandersetzung mit der Analytischen Psychologie CG. Jungs und Erich Neumanns 1984 veröffentlichte, war sie die erste im deutschen Sprachraum, die es wagte, das gigantische Lebenswerk dieser beiden einflussreichen Denker in Frage zu stellen. In ihre Auseinandersetzung fließt ein, was sie schon in ihrem ersten Buch voran getrieben hatte: die Freilegung ursprünglich matriarchaler Mythen, die später patriarchal überformt wurden.Hatte sie dabei an die grundlegenden Gedanken Heide Göttner Abendroths angeknüpft, so ging es ihr nun darum, die mythologischen Bezüge, welche die Jung'sche Psychologie in grossem Umfange für die Psychotherapie fruchtbar gemacht hatte, näher zu untersuchen.
Gerda Weiler gelingt es, zu zeigen, dass die Analytische Psychologie trotz ihrer Wiederentdeckung der matriarchalen Symbolik einer einseitig patriarchalen Interpretation verhaftet blieb. Ihre Kritik setzt bereits bei der Archetypen-Lehre an, die als eine wesentliche Voraussetzung die Jung'schen Gedankengänge prägt. Dem von Platon entlehnten Begriff des Archetypus als einer abstrakten, der menschlichen Psyche eingeborenen Idee stellt sie ein ganz anderes Modell von den "Urbildern" der Seele entgegen, nämlich die Urerfahrung der frühen Menschen am "Großen Weiblichen", die zugleich eine kosmische Erfahrung ist.
Erich Neumanns Einbezug der matriarchalen Welt nennt sie dagegen eine "vorgetäuschte Versöhnung", weil er die vorpatriarchale Phase der menschlichen Geistesgeschichte mit dem Zustand der Unbewusstheit gleichsetzt: "Die Analytische Psychologie ersetzt das theologische Dogma, welches die Göttin dämonisiert, durch das psychologische Dogma, dem matriarchales Bewusstsein zum Unbewussten gerinnt".
Und an anderer Stelle: "Die unglückselige Gleichung: Das Weibliche ist eine Instanz des Unbewussten - das Unbewusste ist bedrohlich - und folglich ist das Weibliche bedrohlich - konstituiert erst die 'Furchtbare Mutter' im Schatten des patriarchalen Bewusstseins".
Nur wenn die Kulturleistungen der Frühzeit als bewusste Setzungen akzeptiert würden, könne unsere einseitig patriarchale Kultur wieder ins Gleichgewicht kommen.
Schließlich setzt sich die Autorin in ihrem in der zweiten Auflage neu gefassten Kapitel "Die Goldene Blüte - das weibliche Selbst gestaltet sich im Traum" mit einer von Erich Neumann vorgestellten Traumserie auseinander. Anhand des Materials der Träumerin kritisiert sie die patriarchalen Vorurteile des Therapeuten und fordert die Rücknahme solcher Projektionen für die gesamte Psychoanalyse.
Dieser entscheidend wichtige Korrekturansatz, der Neumanns "Ursprungsgeschichte des Bewusstseins" in einem neuen Licht erscheinen lässt, ist in meinen Augen aber erst ein Anfang. Um Jungs Anima-Animus Konzeption aus ihrer Halbherzigkeit zu befreien und beide Stimmen der Kulturgeschichte zu eine vollen Klang der menschlichen Psyche zusammenfließen zu lassen, müssten sowohl die patriarchalen als auch die matriarchalen Projektionen zurückgenommen werden. Obgleich zwischen beiden ein gewaltiger Unterschied hinsichtlich ihrer Einseitigkeit und ihres Unterdrückungspotentials besteht, kann m.E. die Lösung nicht darin liegen, das männliche Denken in die matriarchale Weltsicht zurück zu integrieren.
Dennoch bildet die Anerkennung der matriarchalen Kultur als die erste geistige Kulturleistung der Menschheit die unabdingbare Voraussetzung dafür, zur Relativierung beider menschlichen Grunderfahrungen zu gelangen. Erst wenn die je verschiedene Erfahrung der menschlichen Gebürtigkeit gegenseitig anerkannt und zugleich relativiert wird, kann es gelingen, die unselige Trennung zwischen Natur und Geist und deren Projektion auf die Geschlechter aufzuheben.
Carola Meier-Seethaler
Eine feministische Revision der Archetypenlehre
CG. Jungs und Erich Neumanns - in Neuauflage
(von Carola Meier-Seethaler)
Als Gerda Weiler ihre kritische Auseinandersetzung mit der Analytischen Psychologie CG. Jungs und Erich Neumanns 1984 veröffentlichte, war sie die erste im deutschen Sprachraum, die es wagte, das gigantische Lebenswerk dieser beiden einflussreichen Denker in Frage zu stellen. In ihre Auseinandersetzung fließt ein, was sie schon in ihrem ersten Buch voran getrieben hatte: die Freilegung ursprünglich matriarchaler Mythen, die später patriarchal überformt wurden.Hatte sie dabei an die grundlegenden Gedanken Heide Göttner Abendroths angeknüpft, so ging es ihr nun darum, die mythologischen Bezüge, welche die Jung'sche Psychologie in grossem Umfange für die Psychotherapie fruchtbar gemacht hatte, näher zu untersuchen.
Gerda Weiler gelingt es, zu zeigen, dass die Analytische Psychologie trotz ihrer Wiederentdeckung der matriarchalen Symbolik einer einseitig patriarchalen Interpretation verhaftet blieb. Ihre Kritik setzt bereits bei der Archetypen-Lehre an, die als eine wesentliche Voraussetzung die Jung'schen Gedankengänge prägt. Dem von Platon entlehnten Begriff des Archetypus als einer abstrakten, der menschlichen Psyche eingeborenen Idee stellt sie ein ganz anderes Modell von den "Urbildern" der Seele entgegen, nämlich die Urerfahrung der frühen Menschen am "Großen Weiblichen", die zugleich eine kosmische Erfahrung ist.
Erich Neumanns Einbezug der matriarchalen Welt nennt sie dagegen eine "vorgetäuschte Versöhnung", weil er die vorpatriarchale Phase der menschlichen Geistesgeschichte mit dem Zustand der Unbewusstheit gleichsetzt: "Die Analytische Psychologie ersetzt das theologische Dogma, welches die Göttin dämonisiert, durch das psychologische Dogma, dem matriarchales Bewusstsein zum Unbewussten gerinnt".
Und an anderer Stelle: "Die unglückselige Gleichung: Das Weibliche ist eine Instanz des Unbewussten - das Unbewusste ist bedrohlich - und folglich ist das Weibliche bedrohlich - konstituiert erst die 'Furchtbare Mutter' im Schatten des patriarchalen Bewusstseins".
Nur wenn die Kulturleistungen der Frühzeit als bewusste Setzungen akzeptiert würden, könne unsere einseitig patriarchale Kultur wieder ins Gleichgewicht kommen.
Schließlich setzt sich die Autorin in ihrem in der zweiten Auflage neu gefassten Kapitel "Die Goldene Blüte - das weibliche Selbst gestaltet sich im Traum" mit einer von Erich Neumann vorgestellten Traumserie auseinander. Anhand des Materials der Träumerin kritisiert sie die patriarchalen Vorurteile des Therapeuten und fordert die Rücknahme solcher Projektionen für die gesamte Psychoanalyse.
Dieser entscheidend wichtige Korrekturansatz, der Neumanns "Ursprungsgeschichte des Bewusstseins" in einem neuen Licht erscheinen lässt, ist in meinen Augen aber erst ein Anfang. Um Jungs Anima-Animus Konzeption aus ihrer Halbherzigkeit zu befreien und beide Stimmen der Kulturgeschichte zu eine vollen Klang der menschlichen Psyche zusammenfließen zu lassen, müssten sowohl die patriarchalen als auch die matriarchalen Projektionen zurückgenommen werden. Obgleich zwischen beiden ein gewaltiger Unterschied hinsichtlich ihrer Einseitigkeit und ihres Unterdrückungspotentials besteht, kann m.E. die Lösung nicht darin liegen, das männliche Denken in die matriarchale Weltsicht zurück zu integrieren.
Dennoch bildet die Anerkennung der matriarchalen Kultur als die erste geistige Kulturleistung der Menschheit die unabdingbare Voraussetzung dafür, zur Relativierung beider menschlichen Grunderfahrungen zu gelangen. Erst wenn die je verschiedene Erfahrung der menschlichen Gebürtigkeit gegenseitig anerkannt und zugleich relativiert wird, kann es gelingen, die unselige Trennung zwischen Natur und Geist und deren Projektion auf die Geschlechter aufzuheben.
Carola Meier-Seethaler
Gerda Weiler: Der enteignete Mythos. Eine feministische Revision der Archetypenlehre
CG. Jungs und Erich Neumanns. Campusverlag, Frankfurt 1991.
*Dieselbe: Ich verwerfe im Lande die Kriege. Das verborgene Matriarchat im Alten Testament. Frauenoffensive, München 1984.
Neugefasste 2. Auflage: Das Matriarchat im
Alten Israel.
Kohlhammer, Köln
CG. Jungs und Erich Neumanns. Campusverlag, Frankfurt 1991.
*Dieselbe: Ich verwerfe im Lande die Kriege. Das verborgene Matriarchat im Alten Testament. Frauenoffensive, München 1984.
Neugefasste 2. Auflage: Das Matriarchat im
Alten Israel.
Kohlhammer, Köln
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